An einem warmen Sommertag kroch eine große dicke Raupe mühsam über einige Steine durch den Garten. Ihr Ziel war ein schattiges Plätzchen, unter einem Baum. Sie hatte sich gerade mit voller Anstrengung und riesigem Kraftaufwand auf einen Ast gehangelt, um sich von dem anstrengenden Weg zu erholen.
Plötzlich fiel ihr Blick auf einen wunderschönen, zarten Schmetterling der durch die Lüfte flatterte. Voller Zufriedenheit und Hingabe erfreute er sich an der Fülle des Lebens, in dem er sich leicht, frei und voller Hingabe von Blüte zu Blüte treiben lies, um sich an dem süßen Nektar zu laben.
Die große dicke Raupe schaute dem wunderschönen Schmetterling eine Weile zu. Einerseits bewunderte sie diesen zarten, bunten Schmetterling und seine Schönheit. Andererseits beneidete sie ihn, weil er es so einfach zu haben schien, ein so erfülltes, glückliches Leben zu führen, während sie sich Tag für Tag ununterbrochen anstrengen musste, um sich am Boden kriechend zu ernähren.
„Das Leben ist schon ungerecht“ seufzte die große dicke Raupe und krallte sich fest an den Ast, aus Angst herunterzufallen. Denn das konnte sie jetzt am wenigsten gebrauchen, wo doch eh alles schon so beschwerlich ist, da musste ihr doch wenigstens der Ast halt geben, das war doch alles was sie hatte. So verharrte sie den ganzen Nachmittag und jetzt taten ihr auch noch die Fühler weh, weil sie so verkrampft war.
Der zarte Schmetterling flog währenddessen immer wieder um sie herum, setze sich auf eine Blume verweilte ein wenig, um dann zur nächsten Blüte zu schweben, leicht, frei und voller Hingabe.
Manchmal hatte die Raupe das Gefühl, als wolle der Schmetterling mit ihr reden. Sie vernahm zwar ein seeehr lieblich klingendes summen, mehr konnte sie aber nicht verstehen.
Jetzt mußte sie lachen, wie konnte sie nur denken, sich mit diesem zwar wunderschön anzusehenden Geschöpf unterhalten zu können. Laut schimpfte sie vor sich hin: „Der flattert doch hier nur umher und weiß doch gar nichts vom Leben und überhaupt, der wird schon noch sehen, wie das Leben wirklich ist, nämlich hart, schwer und anstrengend“. Nachdem sich die Raupe richtig Luft gemacht hat, kroch sie mühselig ihren Weg entlang, denn sie wußte ja: „geschenkt wird ihr hier nix“ also auf in den Futterkampf, bevor die Nacht anbricht und sie leer ausgeht.
Der Schmetterling flog auf eine orangefarbene Blüte, die ihm besonders gut gefiel, sonnte sich im goldenen warmen Abendlicht und summte vor sich hin:
„Ach du liebe Raupe, irgendwann wirst du verstehen, das es auch deine Bestimmung ist, hier frei, leicht und voller Hingabe umherzufliegen. Im Moment kannst du das alles noch nicht sehen und verstehen. Du steckst in deinem Kokon, der dich so fest umschließt. Das ist die Zeit, sich deinem Inneren zuzuwenden, Altes zu verarbeiten um Neues entstehen zu lassen. Dadurch schaffst du dir eine neue Perspektive und kannst diese dann in innere und äußere Harmonie verwandeln.
Dieser Entfaltungsprozess bringt Zufriedenheit und Hingabe in dein Leben und du bist in der Lage mit deinen frisch gewachsenen Flügeln frei und leicht durchs Leben zu fliegen. So kannst du die Fülle deines SEIN´s genießen.“
Die Raupe schaute sich um, weil sie wieder dieses liebliche summen vernahm, jedoch kein Wort davon verstand. Sie schüttelte ungläubig mit dem Kopf und kroch weiter.
Der Schmetterling erhob sich von seiner orangefarbenen Blüte, tanzte eine Runde über die saftige grüne Wiese, wo die Raupe gerade schwerfällig entlang kroch. Flog auf sie zu und streifte mit einem sanften Flügelschlag über ihren Kokon. Die Raupe schaute auf und sah dem tanzenden Schmetterling nach, wie er im blutroten Sonnenuntergang verschwand.
….und ganz im inneren hörte sie auf einmal einen leisen Ruf ihres Herzens und fing an sich zu erinnern.